Zum Aktiv-Passiv im Scientific Writing hatte ich vor einiger Zeit mal geschrieben: Für spezifische Aussagen sollte man aktive, für Allgemeines passive Formulierungen benutzen. Schon richtig, aber hier nun ein paar weitere Details zu der Frage: Wann schreibe ich aktiv und wann passiv?
Um ein Übermaß an passiven Formulierungen zu vermeiden (alle Forschenden schreiben tendenziell zu viel im Passiv), gibt es die einfache Regel: Für spezifische Aussagen aktive, für allgemeine Statements passive Formulierungen. Ausnahme ist der Abschnitt Methodik, der naturgemäß vorwiegend im Passiv steht. Das gilt für Paper und Reviews, also Originalartikel und Übersichtsarbeiten auf Englisch, aber auch für deutschsprachige Doktorarbeiten.
Soweit so gut, aber wer stilistisch hochwertig, wissenschaftlich schreiben möchte, sollte sich zu der Aktiv-Passiv-Problematik ein paar zusätzliche Gedanken machen und sich für jeden Satz seines Papers oder seiner Doktorarbeit überlegen:
Frage 1: Täter, Objekt oder Tat?
- „Der Wirkstoff XY blockiert spezifisch YZ-Rezeptoren.“ (… und löst dadurch weitere Effekte aus)
Aktive Sätze wie dieser betonen den Täter. Hier ist das der Wirkstoff XY und seine Wirkweise.
- „YZ-Rezeptoren werden spezifisch durch XY blockiert.“
In diesem passiven Satz steht das Objekt im Zentrum: Nur diese Rezeptoren werden blockiert, keine anderen. Wenn das der entscheidende Punkt ist, dann eben Passiv.
- „YZ-Rezeptoren wurden immunologisch nachgewiesen.“
Dieser passive Satz kommt ganz ohne „Täter“ aus, denn es ist egal, wer die Rezeptoren nachgewiesen hat. Die Betonung liegt auf der „Tat“, nämlich dass sie nachgewiesen wurden, und zwar immunologisch.
Frage 2: Sind die Personen wichtig oder das, was sie getan haben?
- „Müller et al. [23] found increased glucose concentrations in astronauts.“
- „Increased glucose concentrations were found in astronauts [23].“
Im ersten, aktiven Beispiel handelt es sich um ein wegweisendes Paper. Da sollte man den Namen des Erst-Autors schon nennen. Im zweiten, passiven Beispiel geht es lediglich um den erhöhten Blutzuckerspiegel der Astronauten, der vielleicht schon von verschiedenen Arbeitsgruppen gezeigt werden konnte und auch bei Tiefseetauchern vorkommt [übrigens sind das rein fiktive Beispiele].
- „The National Academy of Sciences supported our study.“
- „The study was approved by the ethics commitee.“
Mit der aktiven Formulierung des ersten Beispiels betont man, das eine wichtige Institution unsere Studie mega-gut fand – wichtig. Im zweiten, passiven Beispiel geht es einzig allein um die Feststellung: „Die Studie wurde genehmigt.“
Frage 3: Stark oder schwach?
- „The comparison of both methods showed that the performance of protein isolation depends on the technology applied.“
- „By comparison of both methods, it was shown that the performance of protein isolation depends on the technology applied.“
Im ersten, aktiven Beispiel sagen wir klar und deutlich, was wir in unserem Paper gemacht haben und dass wir stolz darauf sind: Geniale Idee, die beiden Methoden zu vergleich. Im zweiten, passiven Beispiel stellen wir dagegen unser Licht unter den Scheffel und tun so, als wären die Experimente irgendwie von Geisterhand passiert – und das klingt schwach.
Fazit für die Praxis
Soweit so gut – wie lassen sich diese drei Fragen nun auf den Punkt bringen? Wie kann man das in der Praxis umsetzen? Ganz einfach: Man lässt das Thema entscheiden: Man stellt also die wichtigste Information, also das Thema, an den Satzanfang. Daraus ergibt sich dann entweder eine aktive oder passive Formulierung. Oder man überlegt sich, ob die wichtigste Information in dem Verb, also in der Tat an sich liegt, dann also eher passiv. In Kombination mit den anderen „Regeln“ zum Aktiv/Passiv im Scientific Writing kriegt man so einen schönen, ausgewogenen Text hin.
So, das waren ein paar Details zur Aktiv-Passiv-Problematik. Wie immer hier der Hinweis, dass man solche Dinge auch in meinen Büchern findet:
Gefällt mir gut, besser als das üblich „besser aktiv als passiv schreiben“, das man oft in Kursen hört.
Stimmt!