Dr. Stefan Lang am 24. November 2021

Die sieben übelsten Stilsünden in Doktorarbeiten


Kategorie Stilfragen

In medizinisch-wissenschaftlichen Texten gibt es verzeihbare Stilsünden und solche, die einem der Leser sehr, sehr übel nimmt. Diese sollte man kennen – und unbedingt vermeiden.

Es gibt Stilsünden in Doktorarbeiten, die mich so richtig fuchsig machen. Warum? Weil sie mich daran hindern, den Text auf Anhieb zu verstehen. Und: Weil sie aus den schönsten Daten eine richtig schlechte Doktorarbeit machen können. Erfahren Sie mehr zu den sieben häufigsten Stilsünden in Doktorarbeiten.

Gerade in der medizinischen Doktorarbeit gibt es Stilsünden, die man vermeiden sollte.

[1] Unpräzise Worte in Wissenschaftstexten

Es wurden einige definierte Hautareale des Oberschenkels gescannt, um mögliche Läsionen zu detektieren.

In einer Doktorarbeit werde ich bei solchen Sätzen misstrauisch: Was heißt „einige“? Wie viele Areale wurden gescannt und, wenn sie schon „definiert“ waren, wie groß waren sie? Es macht einfach ein Unterschied, ob man 2, 8 oder 24 Areale von jeweils 2 x 2 mm oder 2 x 2 cm untersucht.

Es sind oft solche ungenauen Zahlenwörter, die eine Doktorarbeit ins Nebulöse abgleiten lassen. Mich ärgert diese Stilsünde.

Überprüfen Sie bei ungenauen Zahlenwörtern, ob es vielleicht genauer geht. Suchen Sie nach mehr, viele, einige, wenig, stark, schwach

[2] Fremdwörter, Latinismen – in der medizinischen Doktorarbeit ?

Doktorarbeiten benötigen Fachbegriffe – klar. Denn nur Fachbegriffe können einen wissenschaftlichen Sachverhalt präzise und eindeutig ausdrücken. Aber: Der Leser benötigt eine hohe Aufmerksamkeit, sich im Dschungel der Fachbegriffe zurechtzufinden.

Innerhalb des verfügbaren therapeutischen Armamentariums wurde eine methodische Novitätät eruiert. Dabei konnte eine marginaler Benefit hinsichtlich des Procedere konstatiert werden.

Benutzt man nun zusätzlich zu den Fachbegriffen auch noch Fremdwörter (gerne auch lateinische; sogenannte Latinismen), kann der Leser schnell überfordert sein. Denn auch Fremdwörter erfordern eine hohe Aufmerksamkeit, sie binden geistige Ressourcen.

Vermeiden Sie Latinismen im Research Paper: therapeutisches Armamentarium, methodische Novität, Procedere, eruieren, marginal etc.

[3] Dekorative Füllwörter schreiben – warum?

Dekorative Wörter sind in einer Doktorarbeit überflüssig, sie liefern keine Information und hemmen den Lesefluss – ein ohnehin schwerer Text wird durch diese Stilsünde noch komplexer.

Die Eigenschaften dieses Proteins sind hinlänglich bekannt.

Der Nachweis dieses Proteins kann zuweilen schwierig sein.

Letztlich gelang uns die 3-fache Anreicherung des Proteins.

Die Eigenschaften eines Proteins sind entweder bekannt oder unbekannt, aber nicht hinlänglich bekannt. Der Nachweis dieses Proteins kann schwierig sein, aber er kann nicht zuweilen schwierig sein (die Möglichkeit, dass es schwierig ist, wird bereits durch das „kann“ ausgedrückt). Wenn wir dieses Protein dann doch nachweisen und sogar 3-fach anreichern konnten, dürfen wir uns freuen. Diese Emotion behalten wir jedoch für uns und schreiben einfach: „Wir konnten das Protein 3-fach anreichern. PUNKT“ Emotionen sind in Wissenschaftstexten tabu.

Vermeiden Sie typische Füllwörter wie hinlänglich, zuweilen, letztlich, in der Tat etc.

[4] Nebensätze: Informationen verstecken?

Wichtige Informationen können in den hintersten Winkeln der Nebensätze versteckt sein. Bei einer Doktorarbeit gehören die wichtigen Botschaften in Hauptsätze. Nebensätze werden als etwas Nebensächliches wahrgenommen und sollten nur benutzt werden, um ergänzende Informationen zu liefern.

(Botschaft?) Es konnte daher geschlussfolgert werden, dass aufgrund der aktuellen Studienlage Empfehlungen ausgesprochen werden können, den Wirkstoff XY verstärkt einzusetzen, da seine Wirksamkeit nunmehr als erwiesen gilt.

(Botschaft!) Die Wirksamkeit von XY gilt nun als erwiesen. Aufgrund der aktuellen Studienlage wird empfohlen, ihn verstärkt einzusetzen.

Hauptsachen gehören in Hauptsätze. Erklärungen, Eingrenzungen etc. dürfen in Nebensätzen beigeordnet werden.

[5] Ist das nicht schön? Nein, ist es nicht.

Mit Verneinungen ist es so eine Sache. Zum einen können doppelte Verneinungen schwer verständlich oder missverständlich sein – auch in einer Doktorarbeit:

Der Wirkstoff XY gehört nicht zu der Substanzklasse, die selten schwere Nebenwirkungen hat.

Zum anderen müssen wir eine Verneinung immer erst intellektuell verarbeiten:

Denken Sie jetzt nicht an Schokolade.

Sie sehen: Das Bild „Schokolade“ war sofort in ihrem Kopf und die Verneinung haben sie zunächst überlesen – Sie mussten sie zuerst intellektuell verarbeiten.

Die Temperatur blieb stabil. (statt „stieg nicht weiter an“)

Seien Sie vorsichtig mit zu häufigen Verneinungen und formulieren Sie besser positiv.

[6] Key-Words: Gute Wiederholungen in Wissenschaftstexten

In der Schule haben wir gelernt: Eine Wortwiederholung ist etwas Böses (erinnern Sie sich an das rote „W“ am Rand?). Vergessen Sie das! Denn der Leser erwartet bei einem neuen Wort auch eine neue Sache und das kann ihn irritieren.

Angenommen, in Ihrem Text geht es um Glukokortikoide:

Glukokortikoide wurden gut vertragen…

Wenn Sie dann für den folgenden Satz das Wort Glukortikoid vermeiden und stattdessen ein Synonym verwenden wollen  (z. B. Cortison), passiert folgendes:

Die Rate unerwünschter Nebenwirkungen unter Cortison-Therapie betrug …

Der Leser erwartet beim zweiten Satz intuitiv, etwas über einen anderen Wirkstoff zu erfahren. Auch wenn er sich wahrscheinlich erschließen kann, dass Sie das Gleiche meinen – die Klarheit des Textes leidet doch beträchtlich. Entscheiden Sie sich daher für bestimmte Schlüsselbegriffe, Glukokortikoid oder Cortison, und benutzen Sie diese durchgängig.

Glukokortikoide wurden gut vertragen. Die Rate unerwünschter Nebenwirkungen unter Glukokortikoid-Therapie betrug …

Scheuen Sie sich nicht davor, einen einmal eingeführten Fachbegriff durchgängig zu benutzen. Vermeiden Sie Synonyme.

[7] Der Jargon der Wissenschaftstexte

Ärgerlich finde ich auch den Wissenschaftsjargon, der oftmals gedankenlos von jungen Autoren und Autorinnen übernommen wird. Denn wenn zum Beispiel ein Doktorand in seiner Arbeit schreibt, „Abbildung 3 zeige ein typisches Ergebnis“, dann weiß der geübte Fachleser, dass dies wohl der einzige Versuch war, der funktioniert hat (Jargon).

Jargon: Dieie Proben wurden gefällt und die Eppis anschließend weggefroren.

Wissenschaft: Die DNA wurde aus den Proben gefällt und dann bei -20ºC gelagert.

Schreiben Sie natürlich und vermeiden Sie den typischen Labor- oder Klinikjargon.

Fazit

Präzision, Einfachheit und Klarheit – das sind die Grundpfeiler eines Wissenschaftstextes. Sie sollten alle Begriffe und Formulierungen kontrollieren, ob sie diesen Anforderungen genügen.

Dr. Stefan Lang

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